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Begegnungen statt Abgrenzung Seit 25 Jahren blühen Rintelns Städtepartnerschaften mit Slawno und Kendal – und es geht munte

 Mitbegründer der Städtepartnerschaften und aktuelle Stadtoberhäupter stolz beim Jubiläum 20122012: Rintelns früherer Stadtdiektor Meinhard Wichmann (von links), Wojciech Ludwikowski und Dr. Krzysztof Frankenstein (beide Slawno),  Karl-Heinz Buchholz (Rinteln), John Willshaw, John Studholme und Philipp Ball (alle Kendal) im Rintelner Rathaussaal. Foto: tol

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Rinteln/Kendal/Slawno. Rinteln/Kendal/Slawno. Mit den Polen ging es ganz schnell, mit den Engländern dauerte es fast ein Jahr: Vor 25 Jahren wurden die Rintelner Städtepartnerschaften mit Slawno und Kendal formell vertraglich geschlossen. Ein Jahr, in dem Rinteln wegen der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Jugoslawien heftige Bürgerproteste erlebte. Im Jubiläumsjahr wird um die Integration von Flüchtlingen aus dem Vorjahr gestritten. Aber beide Male erwies sich die Weserstadt am Ende als fremdenfreundlich. Die Partnerschaften nach Kendal und Slawno tragen ein bisschen zu diesem guten Klima bei. Aus Fremden wurden Freunde, Tausende haben dies bei gegenseitigen Besuchen bereits erlebt. Und es sollen noch viel mehr werden, auch wenn es in der großen Politik bei zunehmendem Nationalismus nicht danach aussieht. Die Rintelner Städtepartnerschaften bleiben auf Kurs in Richtung Freundschaft statt Vorurteile und Abgrenzung.
Begonnen hat alles schon Ende der achtziger Jahre: Deutschland war bald wiedervereinigt, der „Eiserne Vorhang“ zum Ostblock hob sich langsam, aus einstigen Feinden konnten nun plötzlich Freunde werden. „Bückeburg und der Landkreis waren schon in Frankreich fündig geworden, da mussten wir auch etwas tun“, erinnert sich Rintelns damaliger Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Hoppe. „Doch es sollte für uns eine britische Stadt sein, da wir ja ein sehr gutes Auskommen mit unserem Britischen Militär-Hospital hatten. Und als wir auf der Insel fündig geworden waren, drängte mein Stellvertreter und späterer Nachfolger Karl-Heinz Buchholz darauf, auch in Polen nach einer Partnerstadt zu suchen.“ So fing alles an.
Schon 1989 hatte Hoppe den Ex-Lehrer und späteren Verbindungsoffizier Michael M. Middleton von der Britischen Rheinarmee beauftragt, in Großbritannien eine Partnerstadt zu suchen. Mit Kendal schien alles am besten zu passen. Kendal suchte selbst,d hatte schon mehrere Städte zur Auswahl und wollte bald entscheiden. Middleton fing die Konkurrenz auf der Zielgeraden mit dem überzeugenderen Angebot ab.
Im November 1991 wurde in Kendal bereits ein Partnerschaftsverein gegründet, Rinteln hat nach der Ratsneuwahl den Kulturausschuss um die Ressorts Fremdenverkehr und Städtepartnerschaften erweitert. Noch der alte Rat hatte 1991 einen Grundsatzbeschluss zur Aufnahme von Städtepartnerschaften gefasst. Im Dezember 1991 reiste eine Delegation aus Rinteln mit Hoppe, Buchholz, Middleton und Stadtdirektor Heinrich Büthe nach Kendal, sprach dort mit Bürgermeister Bill Stewart, dessen Stellvertreter John Studholme und Stadtdirektor Robert Metcalfe. Damals hatte der dortige Verein schon 60 Mitglieder. Und es gab den Edelweiss-Club, in dem vornehmlich ehemalige deutsche Kriegsgefangene die Traditionen ihrer Heimat pflegten. Fruchtbarer Boden also. Aber erst nach Erledigung vieler Formalitäten kam es im September 1992 zur Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden, diesmal von Hoppe und dem neuen Bürgermeister Colin Reynolds.
Da waren die Slawnoer schneller. Derk Steggewentz hatte die frühere deutsche Stadt Schlawe in Pommern ausgewählt, denn von dort war er gebürtig. Steggewentz unterhielt noch alte Kontakte, fand aber im jungen Bürgermeister Wojciech Ludwikowski auch einen begeisterten neuen Ansprechpartner.
„Die Stadt gefiel uns nicht so sehr, aber die herrliche Umgebung“, erinnert sich Hoppe, der sich mit seiner Frau Hannelore schon einmal inkognito umgesehen hatte. Beim offiziellen Delegationsbesuch im Januar 1992 ging es dann ganz schnell. „Die Slawnoer hatten schon die Verträge und Urkunden vorbereitet, und am Morgen nach einem fröhlichen Kennenlernabend sollten wir schon unterzeichnen“, erzählt Hoppe. „Dabei hatten wir noch gar keinen Ratsbeschluss. Aber Oppositionsführer Karl-Heinz Buchholz und ich waren uns einig, dass eine Vertagung einen Affront dargestellt hätte.“ Der Ratsbeschluss war dann später auch kein Problem.
Nun musste aber auch die Bevölkerung für das Projekt Städtepartnerschaften gewonnen werden, denn Hoppe hatte schon beim Erstbesuch in Kendal erklärt: „Es soll nicht in erster Linie eine Beziehung zwischen den Räten und und Verwaltungen sein.“ Das galt und gilt genauso für Slawno, wo allerdings bis heute die Stadtverwaltung die Bande nach Rinteln pflegt. In Kendal und Rinteln macht dies jeweils ein Verein, Verwaltung und Politik unterstützen dabei.
Der Rintelner Verein für Städtepartnerschaften wurde am 20. Mai 1992 gegründet, um die formalen Partnerschaften mit Leben zu erfüllen. Hoppe lud dazu ein, hatte schon Kandidaten für den Vorstand, nur ein Vorsitzender fehlte noch. „Da habe ich mich spontan gemeldet und bin es gleich geworden“, erinnert sich Bernhard Priesmeier. Er hatte dieses Amt fünf Jahre inne, dann übernahm Liesa Luchtmeier für 16 Jahre, ehe sie Ende 2012 das Amt weitergab an Dietrich Lange. Priesmeier ist bis heute stellvertretender Vorsitzender.
Seinen Auftrag hat der Partnerschaftsverein seither erfüllt, unermüdlich vor allem durch die beiden Beisitzer Mike Middleton (für Kendal) und Derk Steggewentz (für Slawno). Mit Kendal florierte schon bald ein reger Austausch durch Vereine, Schulen, Kirchen, Lebenshilfe und Politik, der viele langjährige Freundschaften begründete. Sprachprobleme gab es kaum, Kendal, die kulturreiche alte graue Stadt, lockte als Tor zum landschaftlich überaus reizvollen Lake District immer neue Besuchergruppen von der Weser an, und die Kendaler verliebten sich in Rintelns von Fachwerk geprägte Altstadt. Eine Freundschaft auf Augenhöhe von Beginn an, die auch die Schließung des Britischen Militär-Hospitals und später der englischen Prince Rupert School mühelos überlebte. Und Mike Middleton wurde von der Stadt Kendal schon 2012 für seine Verdienste um die Partnerschaft geehrt. Beim Neujahrsempfang der Stadt Rinteln in diesem Jahr bekam er dann vom heutigen Rintelner Bürgermeister Thomas Priemer eine Ehrenurkunde: als Mann der ersten Stunde, als unermüdlicher Motor, als Botschafter Rintelns, und immer ansprechbarer vielseitiger Dienstleister. Priemer: „Er hat maßgeblichen Anteil am Blühen dieser Völkerverbindung.“
Etwas mühsamer ging es mit Slawno weiter. Die Stadt war arm, wesentlich kleiner als Rinteln und musste nach dem Ende des Sozialismus erst den Weg in die neue Zeit finden. Doch Derk Steggewentz ließ nicht locker, seiner alten Heimatstadt zu helfen, fuhr selber gefühlt fast jede Woche die 700 Kilometer Richtung Osten. Er organisierte Hilfsgütertransporte nach Slawno, bahnte wirtschaftliche Kontakte zwischen Firmen an und stiftete unzählige neue Freundschaften. Die Slawnoer dankten es mit überbordender Gastfreundschaft, schickten Musiker und Kulturschaffende an die Weser, zeigten den Rintelnern immer wieder, wie man richtig feiert und die Tanzfläche nie leer werden lässt, ebenso wie die Wodka-Gläser. Bürgermeister Buchholz und seine Mannschaft im Rathaus gaben der Slawnoer Verwaltung immer wieder Hilfe dabei, technologisch voranzukommen und EU-Fördermittel in Brüssel loszueisen. Kein Wunder, dass Steggewentz und Buchholz aus Dankbarkeit von den Slawnoern mit dem höchsten Orden ihrer Stadt, dem Greif, ausgezeichnet wurden. Im Slawnoer Rathaus sind sie seither in einer Ahnengalerie geehrter Persönlichkeiten mit Bild zu sehen. Zwischen beiden Städten ist inzwischen längst eine Partnerschaft auf Augenhöhe erreicht.
Kendal hat nur eine weitere, aber weitaus weniger intensiv gepflegte Städtepartnerschaft nach Irland, Slawno dagegen inzwischen auch Freunde in Ribnitz-Damgarten, in Südtirol, in Tschechien und im südlichen Polen. „Aber mit Rinteln läuft es am besten“, stellten der aktuelle Bürgermeister Dr. Krzysztof Frankenstein und sein Vorgänger Ludwikowski schon wiederholt fest.
Und warum wollte Rinteln nicht mehr Partnerstädte? „Wir haben nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 auch Partnerstädte in der ehemaligen DDR gesucht“, erzählt Hoppe. „Aber bei Glauchau-Meerane blieb es bei einer Verbindung der Kirchengemeinden, Tangermünde entschied sich für Minden und Bad Freienwalde für Bad Pyrmont.“ 2011 gab es eine Anfrage wegen einer weißrussischen Partnerstadt, erinnert sich Liesa Luchtmeier. 2015 erkundigte sich die deutsch-chinesische Gesellschaft Schaumburg mal bei ihrem Nachfolger Lange, wie es denn mit einer Millionenstadt in China wäre. „Eine Nummer zu groß und zu weit weg“, meinte der Vorstand jeweils.
Förderung von sportlichem und kulturellem Austausch sowie wirtschaftlicher Beziehungen stand in der ersten Satzung als Zielsetzung des Partnerschaftsvereins, 1992 erstellt vom stellvertretenden Stadtdirektor Meinhard Wichmann. Das galt mehr als 20 Jahre auch als gemeinnützig, inzwischen sieht es das Finanzamt anders. So wurde 2015 die Satzung geändert: Wirtschaft raus, Förderung von Sport und Kultur im Sinne der Völkerverständigung noch deutlicher rein, und das nun vornehmlich durch Aktionen in Rinteln. Das macht die Reiseförderung ins Ausland schwieriger, erfordert nun mehr Eigeninitiative der zu fördernden Reisegruppen. Aber dafür bekommen jetzt auch Gäste aus den Partnerstädten Zuschüsse aus der Rintelner Vereinskasse. Diese wird durch einen jährlichen Zuschuss der Stadt und die Beiträge der inzwischen mehr als 120 Mitglieder dafür stets wieder aufgefüllt.
Die Städtepartnerschaften haben nicht nur Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen, sondern auch im Stadtbild, vor allem am Kollegienplatz. Dort wurde zum zehnjährigen Bestehen eine von Bildhauer Peter Lechelt geschaffene Steinskulptur „Freundschaftsbande“ enthüllt. Zum 20-jährigen Bestehen pflanzten die Bürgermeister der drei Städte neben der Jakobikirche Bäume. Und gleich daneben hinterließ die Prince Rupert School später eine von Schülern hergestellte Skulptur in Obeliskform. In Kendal gibt es einen Rinteln Square (Platz neben einem Einkaufszentrum) samt einem großen Wandbild aus Kacheln mit Szenen aus Rinteln und Kendal sowie einen Entfernungsanzeiger auf dem Marktplatz. In Slawno erfährt man am Rathaus, dass Rinteln 704 Kilometer entfernt ist (übrigens auch am Rintelner Gymnasium Ernestinum), ein Stadttor der Backsteingotik wurde mit Geldern aus Rinteln saniert, ein Pavillon im Stadtpark von wandernden Handwerksgesellen aus Rinteln errichtet. Urkunden in allen drei Rathäusern weisen auf die Partnerschaften hin.
Das 25-jährige Bestehen soll nun weniger formell, dafür fröhlich mit Kultur und Sport gefeiert werden. Am 8. März um 15 Uhr wird im Erzählcafé des Heimatbunds im Museum Eulenburg von Mike Middleton und Bernhard Priesmeier über 25 Jahre Städtepartnerschaften berichtet. Im Mai feiert eine Rintelner Delegation um Bürgermeister Priemer mit den Slawnoern deren 700-jähriges Stadtjubiläum und 25 Jahre Städtepartnerschaft. Ende Mai ist die Ernestinum Bigband (zeitweise mit Priemer) eine Woche in Kendal und gibt vier Konzerte als Botschafter Rintelns, eines davon mit der Kendal Concert Band im Rathaus. Im August kommt ein Damenfußballteam aus Kendal nach Rinteln, begleitet von einer Delegation des Kendaler Partnerschaftsvereins. Im September will das Blasorchester der Feuerwehr Slawno in Rinteln und beim Erntefest in Möllenbeck aufspielen. Außerdem reisen dann die Vereinigten Chöre Rinteln mit Verstärkung aus anderen Chören zu Konzerten nach Kendal. Ende November ist die Kendaler Behindertenhilfe WOSP wieder beim Weihnachtsmarkt der Lebenshilfe Rinteln. Und vieles mehr. Selbst für 2018 gibt es schon zahlreiche Einladungen, Planungen und Veranstaltungen.
Mehrere tausend Menschen haben inzwischen die Partnerstädte kennengelernt, Freundschaften haben bei vielen Vorurteile beseitigt. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung unserer Städtepartnerschaften“, stellt Ehrenbürgermeister Hoppe fest. „Das war eine tolle Sache und ist es bis heute.“