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Der größte Erfolg im kleinsten Saal Bigband des Gymnasiums Ernestinum gibt drei Konzerte in Polen / Musikalische Botschafter

Pausenfüller beim Freundschaftsspiel von zwei Basketball-Bundeligisten aus Polen in Slawno: Die Ernestinum Bigband hat hier ihr größtes Publikum, wenn auch nur für sechs Lieder. Aber es gibt viel Beifall und anschließend Gelegenheit zu Selfie-Fotos mit den Basketball-Profis. Foto: dil

Pausenfüller beim Freundschaftsspiel von zwei Basketball-Bundeligisten aus Polen in Slawno: Die Ernestinum Bigband hat hier ihr größtes Publikum, wenn auch nur für sechs Lieder. Aber es gibt viel Beifall und anschließend Gelegenheit zu Selfie-Fotos mit den Basketball-Profis. Foto: dil

Vor halb leeren Rängen einer großen Halle muss man sich so genauso um Beifall bemühen wie in einem knuffig engen Klubsaal. In einem kleinen Ort kann der Erfolg größer sein als in einer großen Stadt. Und Super-Technik garantiert nicht für mehr Erfolg als Behelfsequipment. Diese Erfahrungen haben die Mitglieder der Bigband des Gymnasiums Ernestinum von ihrer jüngsten Auslandstournee mitgebracht – drei tage in Polen, fünf Auftritte und kurzfristige Programmänderungen. „Aber wir sind ja jung und flexibel“, stellten die Jugendlichen fest, worauf es bei dieser Tour besonders ankam. Eine Erfahrung, die nicht nur große Künstler machen.

Professionell schon beim Outfit: Zu einer richtigen Tournee das passende T-Shirt – die 27 jungen Musiker sorgten auch äußerlich für den Eindruck einer eingefleischten Gemeinschaft. Eine Landkarte mit der 704 Kilometer langen Strecke von Rinteln nach Slawno und dem Tourneehinweis prangten auf ihre schwarzen Hemden, als sie die Instrumente frühmorgens selbst in den Bus einluden und die Reise losging. Auf der Bühne treten sie in schwarzer Jacke und weißem Hemd auf. Und ihr Ziel ist klar: Erfolg und Spaß haben.

„Unsere Vorbereitung begann eigentlich schon im Winter, als wir die neue CD ,G8“ eingespielt haben, das Grundgerüst für unser neunzigminütiges Programm“, sagt Bandleader Daniel Ellermann. Der Musiklehrer und Dirigent greift aber auch auf die Songs der ersten CD „Opus one“ aus dem Jahr 2010 zurück. Nur ein Schüler war bei beiden Produktionen dabei. Die anderen lernten das Repertoire bei einem Musikworkshop auf Burg Ludwigstein bei Witzenhausen. Jeden Freitag danach wurde gemeinsam mit Ellermann zwei Stunden lang an Feinheiten gefeilt. Erster öffentlicher Auftritt war die CD-Premiere in der Schule im Mai, jetzt die Bewährung in Polen. „Besser als Schulunterricht“, lachen die Jugendlichen.

Organisiert vom Rintelner Verein für Städtepartnerschaften hatten die musikalischen Botschafter der Weserstadt eigentlich drei Auftritte auf dem Programm. „Doch das vor zwei Tagen von mir an alle verschickte Programm ist schon wieder überholt“, sagte Reiseleiterin Roza Koczewski im Bus. „Die Partnerstadt Slawno will noch zwei weitere Auftritte. Das schaffen wir, oder? In Polen muss man einfach immer flexibel sein.“ Wenn‘s mehr nicht ist, geben sich die Jugendlichen gelassen. „Wir sind doch jung, kein Problem.“

Also zunächst beim offiziellen Empfang im Rathaus ein paar Lieder mit noch nicht ganz angepasster Lautstärke. Die Fensterscheiben beben. Nach den Grußworten also bereits eine deutliche Visitenkarte der Band. Und Isa Sozanska, Leiterin des Kulturhauses von Slawno und Planerin der drei Konzerte, strahlt: „Ganz toll, ich habe mich gleich in die Bigband und ihren Sound verliebt.“

Statt um 18 Uhr ein gepflegtes Abendkonzert zu geben, müssen die Jugendlichen nun schon um 16 Uhr im Kulturhaus von Rintelns Partnerstadt als Nächstes ran. Aufbau, eine Stunde spielen vor rund 150 Zuhörern im recht gut gefüllten Haus (250 Plätze), abbauen und Umzug in die große Sporthalle. Anerkennender Beifall für den Aufgalopp und Spannung, wie die nächste herausforderung klappt: Vorspiel und Pausenfüller bei einer Freundschaftsbegegnung der beiden polnischen Basketballbundesligisten aus Slupsk (Stolp) und Kosczalin (Köslin) vor gut 300 Zuhörern. Hintergrund: Beide Klubs werben um Zuschauer und Fans für ihre Heimspiele, das zieht in Slawno mehr als ein Konzert.

Vor der Seitenwand dirigiert Ellermann die Jugendlichen, während die Basketballprofis aus mehreren Ländern sich auf dem Spielfeld schon warm werfen. Trotzdem: Beifall, so viele Zuhörer wie nie wieder. Und Gelegenheit zu Selfies mit Basketballern, die über zwei Meter groß sind. Stress? „Nein, beides zusammen war chillig“, lacht Jonas Liebelt später im Bus.

Der zweite Tag führt nach Ustka, ein Seebad 30 Kilometer nordöstlich von Slawno und etwas größer als die Partnerstadt. Der Saal im Kulturhaus wirkt auf den ersten Blick wie ein großer Bretterverschlag, die Technik ist total veraltet. 120 Stühle lassen ein kleines Publikum erwarten. Doch die emsige Frauentruppe im Kulturhaus hat handgemalte Plakate verbreitet, in Schulen geworben, und in Ustka ist in der Nachsaison sonst kaum etwas los. Erst kommen die Besucher trotz freiem Eintritt schleppend, in den letzten fünf Minuten füllt sich der Saal rasant. Es müssen Stühle nachgeholt werden. 160 Zuhörer sind es am Ende, und der Saal bebt.

Die Hausleiterin Aldona Staszewska-Klimek verteilt am Ende Geschenke an die Gäste und sagt: „So ein toller Auftritt, vielleicht gibt uns das Auftrieb, auch eine Bigband zu gründen.“ Die Rintelner sammeln alles ein, was es an handgemalten Plakaten gibt, sind regelrecht euphorisch. „So ein gutes Konzert haben wir noch nie gespielt“, heißt es unter ihnen immer wieder. Klein, aber fein, und das Publikum vom Kleinkind bis zum Großvater ging begeistert mit. Zei Ehepaare aus Bremen un d Hildesheim, Urlauber in Ustka, sagen begeistert: „Das war der Höhepunkt unserer Reise.“

Kann es noch besser werden? „Up where we belong (Hinauf, wo wir hingehören)“, zitiert Ellermann den letzten Song des Programms als weitere Marschrichtung. „Immer einen Schritt voraus sein“, ist sein weiteres Motto. Und diese offene Einstellung ist am folgenden dritten Tag besonders gefragt.

Nun geht es nach Kolobrzeg (Kolberg), die berühmte Festungsstadt, heute 45 000 Einwohner zählt und Ostsee-Kurbad mit der drittgrößten Hotelbetten-Kapazität von ganz Polen ist. Auf der Kurpromenade, am Strand und auf dem Markt mit Zelten voller Billigtextilien mit aufgenähten teuren Markenlabels bummeln Tausende in der warmen Herbstsonne. Viele Deutsche kuren hier im Herbst. Menschen sind wahrlich genug da – aber Konzertbesucher?

Die Voraussetzungen sind bestens. „So ein tolles Equipment habe ich noch nie gesehen, geschweige denn bedient“, freut sich Schüler Oliver Niebuhr, Leiter der Technik AG am Gymnasium. Nach einer kurzen Einweisung durch den Haustechniker ist er Herr der Knöpfe, Schalter und Regler. Ellermann zieht einen Vergleich: „Nach dem Behelf in Ustka, wo wir komplett unsere eigene Technik einsetzen musten, und Normaltechnik in Slawno haben wir hier High End.“ Kein Wunder, das regionale Kulturzentrum ist erst vor sieben Jahren für rund acht Millionen Euro gebaut worden.

Auch hier kosten die Eintrittskarten nichts, dienen nur der Platzzuweisung. Langsam tröpfelt Publikum in den Saal. Etwa 80 Zuhörer verlieren sich auf den über 300 Plätzen, als die Band um 17 Uhr loslegt.

Der Funke springt kaum über, Beifall gibt es dennoch. Auch ein Ehepaare aus Berlin zollt Anerkennung: „Wir stehen sonst auf Klassik, aber dies hat uns auch sehr gefallen, das hält jung.“ Und wo waren die anderen? „Um 18 Uhr gibt es Essen in den Hotels, wir hätten besser um 15 oder 20 Uhr beginnen sollen“, stellt Isa Sozanska später fest. Das ging wegen der eineinhalb Stunden An- und Rückfahrt von Slawno aber nicht, und um 15 Uhr war einfach zu tolles Wetter.

Das Konzert bringt die zuvor leicht euphorischen Rintelner zurück auf den Teppich. Für Niebuhr war es zwar der Höhepunkt, und Solosängerin Clara Requardt schwärmte von dem tollen großen Saal. Aber sie räumt auch ein, nie ins Publikum zu schauen. Es gilt für sie, gleich gut zu sein vor vielen oder wenigen Zuhörern. Die 16-Jährige Sängerin und Saxofonistin aus einer hochmusikalischen Familie stellt fest: „Der letzte Konzertort war am schönsten, aber das Publikum in Ustka am besten.“

Und wie geht es weiter? Dietrich Lange, Vorsitzender des Rintelner Vereins für Städtepartnerschaften, dankte auf der Rückreise der Bigband dafür, Rinteln so würdig vertreten zu haben. „Und in zwei Jahren würden wir Euch gern zum 25-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft mit Kendal nach England mitnehmen“, lädt Lange die Bigband ein. „Das machen wir sehr gerne“, erwidert Ellermann und lobt. „Dies war im Vergleich zu zwei Soissons-Besuchen in Frankreich die beste Tournee, die wir bisher gespielt haben. Alles war vorzüglich organisiert.“

Als Dank schenken die Jugendlichen Roza Koczewski eine Maßanfertigung des Tournee-T-Shirts, Isa Sozanska erhält die beiden CDs der Bigband. Deren Verkauf für umgerechnet 7,50 Euro blieb übrigens beschneiden, lieber spendeten die Zuhörer Geld. Die Bigband kann‘s gebrauchen, ist sie doch noch längst nicht am Ziel ihrer Träume. Und vor allem in Ustka hofft man schon bald wieder auf ein musikalisches Gastspiel aus Rinteln. dil (SZ)