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Vom Hass zur Versöhnung

Im Forum der BBS: Ewa Bacia (rechts), Daria Coi und Volkmar Heuer-Strathmann.

Im Forum der BBS: Ewa Bacia (rechts), Daria Coi und Volkmar Heuer-Strathmann.

RINTELN. „Ich werde sie bis zum Lebensende hassen!“ Die Deutschen sind gemeint, die Besatzer, die vielen „kleinen Hitler“, die am 1. September 1939 über Polen hergefallen waren. Grazyna Harmacinska musste miterleben, wie ihre jüdische Freundin Danka, deren Familie und über eintausend andere Juden 1940 aus Slupca deportiert wurden. Wohin, wusste niemand von den Freunden, die sich zur „Union der Vaterlandsliebe“ verbunden hatten.
Im Forum der Berufsbildenden Schulen hatten sich am Abend nach dem Gedenktag aus Anlass der Pogrome am 9. November 1938 zahlreiche Interessierte eingefunden, um mehr über das deutsch-polnische Theaterstück „Haltestelle Izbica“ zu erfahren. Eingeladen hatte der Verein für Städtepartnerschaften Rinteln. Autor Volkmar Heuer-Strathmann und die Übersetzerin Ewa Bacia machten in zweisprachiger Wechselrede gleich zu Beginn deutlich, welche Unfreiheit die Besatzer verfügten. Daria Coi las mit bewegter Stimme aus den Briefen, die Grazyna später von Danka erhielt, zuerst aus Grzow, dann aus Lodz, schließlich aus dem „Transit“-KZ Izbica.
Wie in dem elektronisch unterlegten Sprechgesang „Deutscher Gruß – die Hölle lässt grüßen“ verschwinden die Täter in der gesichtslosen Menge. Komplizierte Fragen nach Mitschuld von untätigen Schaulustigen standen im Raum durch die Worte des jüdischen Dichters Mordechaj Gebirtig an die „Söhne Polens, die Töchter“. Heuer-Strathmann erläuterte, was es bedeutet, sich als 1953 geborener Deutscher dem heiklen Stoff zu nähern, das authentische Material für szenisches Spiel aufzubereiten und dabei aktuelle Konflikte um die Kultur der Erinnerung in Polen und in Deutschland einzubeziehen. Dass die örtliche Polizei „für alle Fälle“ präsent war, gehört auch in diesen Zusammenhang. Der Abend verlief ungestört.
Und im Hause Harmacinska in Slupca blieb es nicht bei dem Hass, auch wenn es als sicher gelten kann, dass Danka zu den in Belzec vergasten Juden gehört. Ewa Bacia konnte berichten, dass sich die Verfasserin der Tagebuchnotizen noch in hohem Alter einbrachte in die Partnerschaft zwischen dem Liceum in Slupca und dem Ratsgymnasium Stadthagen. An beiden Schulen wurde das Stück (Musik: Dietmar Post/Henry Brandstetter) erfolgreich aufgeführt. In Rinteln las der Autor, was Zukunftsmusik ist: „Wir schaffen eine Welt, in der jedes Leben gleich viel zählt.“ Nach einem Moment der Stille gab es reichlich Applaus.
„Das war anspruchsvoll und anrührend“, bescheinigte Ingrid Eggers als Gast den drei Akteuren später. Ihre Arbeit als Französischlehrerin in Bückeburg hatte sie viele Jahre lang in der Austauscharbeit mit Schulen in Frankreich mit ähnlich sensiblen Fragen in Berührung gebracht. Nun sind Ursula Mücke und Bernhard Wünsche vom gastgebenden Verein gespannt, ob der Auftritt am Vormittag im Ernestinum Impulse geben konnte für die weitere Mitwirkung der Schule an der Gestaltung der Beziehung mit der Partnerstadt Slawno.