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Aus historischen Feinden werden Freunde

Zum 10. Jubiläum der Städtepartnerschaften im Jahr 2002 enthüllt Bildhauer Peter Lechelt (r.) die Steinskulptur „Freundschaftsbänder“ am Kollegienplatz. Mit dabei die Vorsitzende des Rintelner Vereins für Städtepartnerschaften, Liesa Luchtmeier (v. l.), der Bürgermeister Slawnos, Wojciech Ludwikowski, Rintelns Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz und seine Amtskollegin aus Kendal, Avril Dobson Fotos: tol/Archiv

Zum 10. Jubiläum der Städtepartnerschaften im Jahr 2002 enthüllt Bildhauer Peter Lechelt (r.) die Steinskulptur „Freundschaftsbänder“ am Kollegienplatz. Mit dabei die Vorsitzende des Rintelner Vereins für Städtepartnerschaften, Liesa Luchtmeier (v. l.), der Bürgermeister Slawnos, Wojciech Ludwikowski, Rintelns Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz und seine Amtskollegin aus Kendal, Avril Dobson Fotos: tol/Archiv

Von Dietrich Lange

Der Rat der Stadt Rinteln hatte beschlossen, dass eine Partnerstadt im Osten und Westen gesucht werden sollte“, erinnert sich die heutige Vorsitzende des Rintelner Vereins für Städtepartnerschaften, Liesa Luchtmeier. Der in Rinteln wohnende Presseoffizier der Britischen Rheinarmee, Michael M. Middleton, hatte die Fühler schon seit Jahren auf die Insel ausgestreckt – zunächst erfolglos. Mit Derk Steggewentz meldete sich ein Rintelner, der aus dem polnischen Slawno (früher Schlawe, Pommern) stammte und dorthin noch Verbindungen pflegte.

Middleton fand schließlich im ebenfalls suchenden nordenglischen Kendal ein historisches Städtchen, wie Rinteln bei Touristen beliebt und von der Größe her ideal passend – rund 30000 Einwohner. Und er stieß dort rasch auf Gegeninteresse. Steggewentz hatte beim Slawnoer Bürgermeister Wojciech Ludwikowski ebenfalls bald leidenschaftliches Interesse an der neuen Verbindung entflammt. Delegationen von Ratsmitgliedern um den damaligen Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Hoppe besuchten die beiden Städte, und schon bald wurden die Partnerschaften mit Urkunden besiegelt.

Die in den Urkunden genannten Ziele waren ähnlich. Kendal und Rinteln nannten:

  • Etablierung und Erhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen beiden Städten,
  • Freundschaft und Verständigung zwischen den Bürgern fördern, Einzelpersonen, Familien, Gruppen, Vereine, Firmen und Schulen zu gegenseitigen Besuchen verhelfen und dabei unterstützen
  • Verbindungen insbesondere gesellschaftlicher und sportlicher Art zwischen den jungen Leuten in beiden Städten fördern und damit eine gute Grundlage für die künftige Verständigung, gegenseitige Achtung und Freundschaft schaffen.

Unterzeichnet am 11. September 1992.

Bereits am 25. Januar 1992 wurde zwischen Slawno und Rinteln die Urkunde unterzeichnet, vom Text her wesentlich knapper verfasst. Ziel ist hier, im Wesentlichen sich in allen vereinbarten Gebieten des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens freundschaftlich zu begegnen.

Besuche in Nordengland waren kein Problem, die englische Sprache beherrschen auch viele Rintelner, es gibt sogar eine englische Schule und früher ein Britisches Militär-Hospital. Und für die englischen Gäste mit wenig Deutschkenntnissen gab es genug Dolmetscher. Schwieriger war das mit Slawno.

„In den Anfangsjahren konnte man nur mit Reisepass und Visum nach Polen einreisen“, erinnert sich Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz, dessen Ehefrau Inge zu seinem Vorteil aber gut Polnisch spricht. Auf beiden Seiten glich die herzliche Gastfreundschaft sprachliche Probleme mehr als aus. Aus sich anfänglich neugierig beschnuppernden Gruppen erwuchsen viele Freundschaften. Vorbehalte oder Vorurteile gegenüber einstigen Kriegsgegnern Fehlanzeige, und inzwischen ist auch die Jugend immer stärker mit dabei.

Waren die Kontakte nach Kendal immer von Besuchen mit hohem touristischen Reiz für beide Seiten verbunden, erschien Slawno manchen Rintelnern zunächst eher unscheinbar und mit 14000 Einwohnern auch als ziemlich kleiner Partner. Aber dieser wurde auch mit vielfältiger wirtschaftlicher Unterstützung (Arbeitsplatzangebote in Rinteln, Sachspenden für Slawno) „aufgepäppelt“. „Und Polen hat sich ja so rasant entwickelt, dass wir uns heute auch wirtschaftlich auf Augenhöhe begegnen“, stellt Liesa Luchtmeier fest, „menschlich sowieso.“ Roza Koczewski, die von Steggewentz das Amt des Beisitzers im Partnerschaftsverein für Slawno übernahm, findet Slawno „interessant, klein und süß“. Die Ostsee und Danzig in Reichweite machen auch dort einen Aufenthalt touristisch sehr reizvoll.

Die Partnerschaften werden in den drei Städten jeweils von Vereinen getragen. In Rinteln gibt die Stadt jährlich einen beachtlichen Beitrag, damit Begegnungsreisen finanziell unterstützt werden können. In Kendal und Slawno haben es diese Vereine schwerer.

Nicht nur mit Partnerschaftsschildern und den Wappen der jeweils eigenen Stadt und Rintelns weisen Kendal, Rinteln und Slawno stolz auf die eingegangenen Verbindungen hin. In Slawno steht am Rathaus auch ein Fahrthinweis „Rinteln 704 Kilometer“, eine neuerdings nicht einmal Radfahrer entmutigende Entfernung. Eine Gruppe ist im Sattel gerade unterwegs zum Altstadtfest in Rinteln. Kendal hat in einem Shopping Center einen Platz „Rinteln Square“ genannt und auf diesem mit bemalten Fliesen die Begegnungen beider Städte dargestellt: darunter die allerdings nicht mehr so intensiven Kontakte der Tischtennisspieler aus Kendal und Rintelns Ortsteil Strücken. In Rinteln wurde 2002 zum zehnjährigen Bestehen der Partnerschaften die Steinskulptur „Freundschaftsbänder“ von Bildhauer Peter Lechelt aufgestellt.

Erstaunlich ist, dass es in den 20 Jahren noch keine engere Verbindung zwischen Slawno und Kendal gegeben hat. Beide haben noch andere Partnerstädte, pflegten bisher ihre Partnerschaft zu Rinteln weitgehend getrennt voneinander. Beim jetzt bevorstehenden Jubiläumsfest werden aber mehr Begegnungen ermöglicht, und viele Polen kennen sich auch dank der innereuropäischen Freizügigkeit zu Arbeitsplätzen auf der Insel aus. Umgekehrt wurde diese Beweglichkeit noch nicht so stark beobachtet. Bier mögen aber beide Seiten, an den Wodka des einen und den Whisky des anderen kann man sich durch Üben ja gewöhnen. Und warum sollten polnisches Bigos (Sauerkraut und Wurstreste) und Kendaler Mint Cake nicht auch der anderen Seite eine Kostprobe wert sein? Die eine macht satt, der andere öffnet die Atemwege. Nur gleichzeitig schmeckt dies eher nicht.

Auf jeden Fall gibt es keinen Zweifel, dass die beiden Städtepartnerschaften weiter so lebendig bleiben sollen wie bisher. Und zum ersten Mal gibt es nun eine gemeinsam zu unterzeichnende Partnerschaftsurkunde. Am Samstag, 11. August, sollen die Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz (Rinteln), Krzysztof Frankenstein (Slawno) und John Willshaw (Kendal) ihre Namen darunter setzen. Dann wird diese dreisprachig verfasste Urkunde wohl ebenso einen würdigen Platz im Rintelner Rathaus finden wie ihre beiden Vorgängerinnen.

Im Text bekräftigen die drei Städte, wie sehr sie die bisherige erfolgreiche Entwicklung der Partnerschaften schätzen. Dies fortzusetzen, soll auch künftig das Ziel sein, vor allem unter Einbeziehung junger Menschen, um diese zur aktiven Mitgestaltung der Partnerschaft zu ermutigen und zu gewinnen.

Der Schlusssatz gilt heute wie vor 20 Jahren und in Zukunft: „Nach 20 Jahren bekräftigen wir diese Partnerschaft und wollen damit einen Beitrag zur Völkerverständigung und Vollendung der europäischen Integration leisten. Möge dieser Bund weitere Generationen als Partner und Freunde verbinden, die für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich sind.“

Aber erst einmal wird drei Tage lang gefeiert. Und dafür hatten sich die Partnerstädte die Einbindung in Rintelns Altstadtfest gewünscht.

Vor und nach der Öffnung des Ostblocks suchten viele deutsche Städte und Landkreise Partnerkommunen. „Wir gehörten zur zweiten Welle“, erinnert sich Rintelns heutiger Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz. Fündig wurde die Weserstadt in Slawno (Polen) und Kendal (Großbritannien). Beide Partnerschaften entwickelten sich prächtig. Jetzt wird in Rinteln das 20-jährige Bestehen gefeiert. Zeit für einen Blick zurück – und nach vorn.