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Verbindungen statt nationaler Verblendung

Dieses Klassenfoto aus dem Jahr 1938 in Breslau ist in dem Film von Karin Kaper zu sehen. Foto: pr

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Deutsch-polnische Begegnungen: Öffentliche Landestagung in Rinteln präsentiert preisgekrönte Regisseurin und Buchautor / Gymnasiasten stellen Austauschprojekt vor

Rinteln. Erstmals ist Rinteln Ausrichter der öffentlichen Landestagung und Mitgliederversammlung der Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Niedersachsen. Diese Organisation umfasst örtliche Gesellschaften in mehreren Hochschulstädten Niedersachsens und den Rintelner Verein für Städtepartnerschaften. Sie alle sind um ein besseres Verständnis und Miteinander von Deutschen und Polen bemüht. Der Rintelner Verein hofft, mit dieser Veranstaltung ein breiteres Publikum anzusprechen und für die Städtepartnerschaften zu begeistern.

Die Landestagung steht unter dem Motto „Deutsch-Polnische Begegnungen“ und beginnt am Samstag, 16. Juni, um 11 Uhr im Gymnasium Ernestinum, Paul-Erdniß-Straße 1. Nach der Berichterstattung von der Mitgliederversammlung kurz zuvor an selber Stelle sind Grußworte von Bürgermeister Thomas Priemer, Schulleiter André Sawade und für den gastgebenden Rintelner Verein für Städtepartnerschaften durch den Vorsitzenden Dietrich Lange vorgesehen.

Mit einem musikalischen Intermezzo des Schülerensembles "Musici Ernesti" unter der Leitung von Martin Requardt geht es weiter, bevor eine Schülergruppe des Ernestinums ihre Projektarbeit mit einer Schule aus dem polnischen Slawno vorstellt. Das klassische Austauschprogramm der 10. Klassen des Gymnasiums wird durch ein vorbildliches gemeinsames Gedenkstättenprojekt im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof bei Danzig ergänzt. Dietrich Lange erklärt dazu: „Die Slawnoer Schüler haben darüber einen Film gedreht, aus dem ein zehnminütiger Zusammenschnitt gezeigt werden soll. Schüler werden dazu weitere Erklärungen geben. Unser Verein fördert diese Projekte seit Jahren.“

Danach sehen die Teilnehmer Ausschnitte aus dem Kinodokumentarfilm „Wir sind Juden aus Breslau“. Landesvorsitzender Harm Adam aus Göttingen erklärt: „Die Regisseurin Karin Kaper, aktuelle Trägerin des Kulturpreises Schlesien des Landes Niedersachsen, wird anwesend sein, um über ihre Erfahrungen bei der Entstehung des Films, den sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Dirk Szuszies konzipiert und umgesetzt hat, zu sprechen.“

„Wir sind Juden aus Breslau - Überlebende Jugendliche und ihre Schicksale nach 1933“ ist ein Film von aktueller Brisanz, der ein eindringliches Zeichen setzt gegen stärker werdende nationalistische und antisemitische Strömungen in Europa. Harm Adam: „14 Zeitzeugen stehen im Mittelpunkt des Films. Sie erinnern nicht nur an vergangene jüdische Lebenswelten in Breslau. Ihre späteren Erfahrungen veranschaulichen eindrücklich ein facettenreiches Generationenporträt. Gerade in Zeiten des zunehmenden Antisemitismus schlägt der Film eine emotionale Brücke von der Vergangenheit in eine von uns allen verantwortlich zu gestaltende Zukunft.“

Die 1959 in Bremen geborene Karin Kaper startete ihre berufliche Laufbahn nicht als Filmemacherin, sondern als Regisseurin und Schauspielerin in der mit ihrem Partner Dirk Szuszies gegründeten und zuletzt in Berlin ansässigen Theaterkompanie „ZATA“. Seit 2000 widmet sich Kaper, die seit ihrer Schauspieltätigkeit regelmäßig Polen bereiste, hauptberuflich der Produktion und dem Eigenverleih von Dokumentarfilmen. Vor der jüngsten Produktion erregte sie große Aufmerksamkeit mit dem Kinodokumentarfilm „Aber das Leben geht weiter“, der 2011 uraufgeführt die Begegnung ehemaliger und heutiger Bewohner eines Hofes in einem niederschlesischen Dorf zeigt. In Würdigung dieser beiden Filme wurde Karin Kaper am 12. August 2017 in Osnabrück der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen durch Innenminister Boris Pistorius überreicht.

Nach dem Mittagessen für angemeldete Teilnehmer stellt um 14 Uhr der in Verden/Aller ansässige deutsch-polnische Autor Artur Becker seinen Essayband „Kosmopolen“ vor. Harm Adam teilt dazu mit: „Der 1968 in Bartoszyce (Masuren) geborene Schriftsteller möchte seine Leser überzeugen, dass ihr Weltbild unvollständig bleibt, wenn sie nicht die Erfahrungen ihrer polnischen Nachbarn zur Kenntnis nehmen und in ihr Weltbild integrieren. Dabei wagt er sich wie selbstverständlich auf das belastete, verminte Gebiet der deutsch-polnischen Erinnerung an die Geschichte und ruft das Gemeinsame, Verbindende jenseits der nationalen Verblendung in Erinnerung. Zugleich befasst er sich mit der Teilung der polnischen Gesellschaft in Nationalkonservative und Liberale, die ein geeintes Europa wollen. Becker selbst sieht sich als „Pole, Deutscher und Europäer“, was aus seiner Sicht keine „bipolare Störung“ sei.“ Die Landestagung endet gegen 16 Uhr.

Interessenten aus Rinteln haben freien Eintritt. In der Mittagspause wird ein kostenloser Eintopf angeboten. Zur besseren Planung wird um Anmeldungen mit Teilnehmerzahl und Essenswunsch an Dietrich.Lange@gmx.net gebeten. dil